Sonntag, 4. Dezember 2022

Nun denn: Ich erzähl`s hier - im Vertrauen ...

Die Absicht war: "Dort BILDER klauen!" 
So wurde uns "all das recht malerisch" zum Ausdruck gegeben.
Sich bereichern vermittels "Kunst-Malerei" - die Gemäldesammlungen in den Museen betreffend. -
Eine dann letztlich erfolglos verlaufene Begebenheit - damals in München. -
Vorab sei erwähnt: 
Wenn man vom Ortsteil Schwabing aus in die Innenstadt geht, dann kommt bald auch die "Alte Pinakothek" in eine Sichtweite; das ehrwürdige Palais mit der großartigen Bildersammlung. - 
Unweit davon, gab es eine kleine Weinstube, in der auch die in der Pinakothek beschäftigten Museumswächter gern "nach Feierabend saßen". -
Damals war ich mit meinem Freund Michael, der nahebei als Galerist tätig ist, eines abends in der für ihn zur Stammschenke gediehenen Destille. 
An der Rückwand der Theke, erblickte man in Kenntnis setzend den Hinweis:  
Wir führen hier nur gute Weine!So fast geschenkt gibt's wahrlich keine! - 
Eine akzentuierte Verlautbarung, die Michael schmunzelnd nachfragen ließ:  
"Servus Xaver, altes Haus! Gibst Du uns heut' ein Weinchen aus?" So begrüßte er lyrisch den Wirt der heimeligen Weinstube, den zum Münchener Urgestein gediehenen Franz-Xaver Pichlhuber, einen ehemaligen Drehbuchschreiber und zuweilen auch Bühnenkünstler. - 
"Nix da! Bezahlen muß einer von Euch beiden, ich mag Schmarotzer gar nicht leiden!" ließ uns Franz-Xaver grinsend wissen, als wir an der Theke auf Barhockern Platz genommen hatten. - Immerhin entkorkte er gleich darauf eine sauteure Flasche 1973er Château Haut-Brion und stellte sie grimmig dreinblickend in unsere Reichweite. -
Ich nahm das staunend zur Kenntnis ... Nicht so Michael: "Obwohl die Mimik voller Groll, zeigt er sich doch verständnisvoll!" flüsterte er mir belustigt zu, nahm die Weinflasche zur Hand und schenkte dann gebefreudig die bereits vor uns stehenden Gläser voll. -
"Sag 'mal", horchte ich aufmerksam geworden auf, "ist das für Euch beide die gängige Art und Weise, miteinander Konversation zu treiben?" -
"Ja, das hat sich inzwischen so eingespielt", gab mir Michael zu verstehen. "Der Xaver hat offenbar seinen Spaß daran - und ich habe mich angemessen damit vertraut gemacht", fügte er noch frotzelnd hinzu. - Um gleich darauf den Gläser putzenden Wirt anzusprechen: "He! Da war doch neulich so'n Gelächter, am Stammtisch der Museumswächter! - Kannst Du das jetzt 'mal offenbaren, warum die dort so heiter waren?" -
Vergnügt schmunzelnd, beugte sich Franz-Xaver kontaktfreudig vor, um auf die übliche Weise darüber Aufschluß zu geben: "Tja, was die dort groß zur Schau getragen, das wird Euch sicherlich behagen. Damit sich's vollends deutlich macht, hab ich das zu Papier gebracht." brach es lachend aus ihm heraus, während er seine Hände abtrocknete - und gleich darauf einen eng beschriebenen Zettel zutage förderte: "Also, dann laßt Euch 'mal ergötzlich sagen, was sich da letzthin zugetragen!" ließ er verlauten; nahm die Notizen zur Hand - und begann auf die zur Gewohnheit gewordene Art zu berichten: "Da sind im Prado in Madrid, so hörte ich's erbaulich mit; oder war das in Paris? Egal wie dieser Ort nun hieß, ein paar ziemlich schwere Jungen, in das Museum eingedrungen! - Und haben - es ist kaum zu fassen -, die meisten Bilder mitgehen lassen!" -
Michael schaute verblüfft auf, um sogleich in Betracht zu ziehen: "Wie kann man so etwas denn wagen? - Da gibt es doch Alarmanlagen!" -
"Angeblich ja", stimmte Franz-Xaver zu. "Nur sei in den Gemäldehallen, zuvor das Stromnetz ausgefallen!" Sichtbar beeindruckt, berichtete er mitreißend weiter: "Dreist und maßlos sei die Meute, so nannten's die Museums-Leute, dort, in diese heiligen Hallen, Besitz ergreifend eingefallen!" -
"Unglaublich!" brummelte Michael, zugleich daran denkend, daß vor einigen Tagen zwei befremdlich anmutende Gestalten ihm einige Lithographien des 1858 im ehemaligen Ostpreußen, im Örtchen Tapiau geborenen Malers Lovis Corinth zum Kauf angeboten hatten ...
"Was ist? Du wirkst urplötzlich leicht erschrocken, haut dich der Vorfall aus den Socken?" forschte Franz-Xaver stillvergnügt nach. - Um gleich darauf zu betonen: "Nein-nein, das muß dich nicht verstören, denn ich bekam dann noch zu hören, daß dort, schon zehn Minuten später, der Einmarsch dieser Schwerenöter durch Staatsgewalt zum Stillstand kam! - Wie das? Das möchtest Du gern wissen; d'rum werde ich's erläutern müssen: Da war, wohl auch des Rufes wegen, die Polizei sehr schnell zugegen! Sie stürmte spornstreichs den Palast, erwischt' den ersten Räuber fast, der mit Bildern von Miro, eingeschlossen auf dem Klo im Museum saß und schnell, noch ein Bild von Raffael hastig aus dem Fenster schmiß. - Das dann neben dem Matisse unversehrt zu Boden ging ... Dort, in der meterhohen Pappel, hing leicht durchbohrt ein Karel Appel. - Und etwas abseits fand man dann, noch drei Gemälde von Cézanne." fügte er hämisch auflachend hinzu. -
Michael schüttelte daraufhin ungläubig dreinblickend den Kopf. - Sprachlos geworden, bestellten wir uns eine neue Flasche Wein. - Vermutlich der derzeitigen Gestimmtheit entsprechend, nun zwangsläufig einen Tinto Pesouera Gran Reserva aus Spanien. -
Franz-Xaver servierte den Wein - und schaute uns fragend an: "Na, ist das nicht ein aufsehenerregender Clou? - Und wollt Ihr denn gar nicht wissen, wie sich das ganze vertrackte Geschehen hernach angeblich sensationell weiterentwickelt haben soll?" -
Eingedenk all der oftmals unglaublich grotesk erlebten Begebenheiten im malerischen Bannkreis der Kunst, machte Michael gute Miene zum abartigen Spiel und nickte ihm billigend zu.
"Ihr müßt mir nicht glauben! Ich gebe ja hier - auf meine Art und Weise! - nur das zum Ausdruck, was mir da neulich zu Ohren gekommen ist!" betonte der Wirt grinsend seine erneut reimlos zur Sprache gebrachte, beinahe unvorstellbare Darlegung. -
"Credo quia absurdum - (ich glaube es gerade, weil es widersinnig ist)" murmelte Michael abwinkend.
"Erzähl bitte aufschlußreich weiter", erlaubte ich mir, auf der mittlerweile auch für mich duzfreundlich gewordenen Konversations-Ebene, den Wunsch nach Erweiterung zum Ausdruck zu bringen. -
Mit Erfolg ...
"Was dann passierte, spricht wohl Bände: Der Vorfall nahm kurios ein Ende!" ließ uns der Wirt nun erneut aufmerksam werdend wissen. "Mit dummdreist patzigem Verhalten, der festgenommenen Gestalten, versuchten sie die Polizisten, nun bauernschlau zu überlisten. - Beinhart ins Kreuzverhör genommen, ist folgendes ans Licht gekommen: "Wie kann man sich denn so erfrechen, in das Museum einzubrechen?" - "Um Kunst vielfältig zu empfinden, muß man erst Kleinmut überwinden!" - "Wo sind die Zeichnungen von Leibl?" - "Keine Ahnung, weiß der Deibl!" - "Und der große Tizian?" - "Vom Thema her, der reinste Wahn!" - "Das Selbstbildnis von Juan Gris?" - "Als Konterfei erschreckend mies!" - "Was ist mit dem Toulouse-Lautrec?" - "Erst war er da, nun ist er weg!" - "Unglaublich! Und der Edvard Munch?" - "Zeigt durchaus malerischen Schwung!" -  "Das Kohlfeld von Max Liebermann?" - "Wird man vermissen, nehm' ich an?" - "Die Frau am Fenster, von Vermeer?" - "Wirkt vom Sujet her viel zu schwer!" - "Die Frau im Bade von van Dongen?" - "Sie ist ihm absolut mißlongen!" - "Und Albrecht Dürers Korb mit Früchten?" - "Verfaultes Obst muß man vernichten!" - "Corots Madam, die sich frisiert?" - "Die hat Ihr Chef schon einkassiert! Das wäre, weil zutiefst im Trüben, wohl besser ungesagt geblieben" wandte er stillvergnügt ein. -
"Das brachte im Verhör die Wende, der Schelm rieb sich vergnügt die Hände!" ließ uns Franz-Xaver spottlüstern wissen. -
"Aha! - Durchaus verständlich und wohl auch plausibel, doch dem Kommissar zur Unzeit ein Übel", brach es auflachend aus Michael heraus. -
"Wohl wahr! - Die Gauner gaben sich zunehmend kesser, für ihn zeigt's sich nun aber nicht sehr viel besser!" stimmte ihm Xaver schmunzelnd zu. "Doch ohne sich grüblerisch daran zu stören, begann er des weiteren zu verhören:" - "Lithografien von Corinth?" - "Ich weiß nicht, wo die jetzt schon sind?" - "Und die Gouachen von Chagall?" - "Geb' ich nicht her, auf keinen Fall!" - "Ein Aquarell von August Macke?" - "Steckt eingerollt in meiner Jacke!" - "Auch Grafik fehlt, von Erich Heckel!" - "Sie nerven jetzt mit dem Gezeckel! Und stellen Ihre dreisten Fragen, doch nur, um mich dann anzuklagen! Ich weiß schon, würde ich bekennen, dann dürften Sie mich Gauner nennen! - Nee, mein lieber Kommissar, machen Sie sich deutlich klar: Ich bin als Mensch noch nicht verhunzt! Hab' viel Verständnis für die Kunst. - Jedoch, trotz kunstvernarrtem Streben: Ganz ohne Geld kann kein Mensch leben!" -
"Ja-ja, so ist, Ihr ahnt's wohl schon verschwommen, nicht viel dabei herausgekommen! - Der Kommissar war leicht verdrossen. Das Museum blieb geschlossen." beendete Franz-Xaver sichtbar belustigt dann seinen kunstorientierten Erlebnisbericht. - Nicht ohne noch (gewinnorientiert) freundschaftlich dreinblickend hinzuzufügen: 
"Wollt Ihr noch hier verbleiben? - Sonst werde ich die Rechnung schreiben". -
Ach ja:
All das ist nun "Vergangenheit". Die Wein-Stube gibt es nicht mehr - und der Freund Michael ist vor kurzem verstorben ...
                                                                           -
                                                                         ***

Freitag, 2. Dezember 2022

So weltweit "lobpreisend ausgezeichnet" ...

Diese als "NOBELPREIS" benannte, seit 1901 alljährlich "krönende Ordens-Verleihung":
Wie sich das dereinst "ergeben hat", was sich in Schweden hinsichtlich dessen (vermeintlich) so bedeutungsvoll zugetragen haben soll, das sei nun im Folgenden doch einmal zur Sprache gebracht: 
Ein "Zufalls-Geschehen" - ließ mich da aufschlußreich Einblick nehmen:
Es ergab sich im Juni 2007; als ich auf einem Fährschiff, das uns von Frederikshavn nach Göteborg bringen sollte, rein zufällig mit einem bärtigen Mann älteren Jahrgangs in eine sich bald darauf aufschlußreich darbietende Plauderei hineingeraten war. - Per-Olov Eriksson, so nannte er sich, mein damals so mitteilsam in Erscheinung tretender Gesprächspartner. -
Beeindruckt nahm ich im Laufe der Unterhaltung zur Kenntnis, daß er, "Per-Olov", als ein entfernt einzuordnender Verwandter der Familie Nobel zu gewärtigen sei. "Seine liebevoll gepflegte Zuneigung zur Spirituose Aquavit habe jedoch bewirkt, daß er den seriösen Überzeugungen dieser ehrenwerten Familie nicht mehr genügen konnte - und somit als "gesellschaftlich unmöglich" zu ächten sei. Der sich zeitlebens distinguiert in Szene setzende Familien-Clan hätte selbstherrlich als not amuset reagiert, wollte sogleich wohl auch die Spreu vom Weizen trennen - und man sei nun als "entfremdet" nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen, so gab mir Per-Olov schmunzelnd seinen Rausschmiß aus der feinen Sippschaft zu verstehen. -
"In Lidingö sei er 1928 zur Welt gekommen. - Den "Onkel Alfred" habe er jedoch nicht mehr leibhaftig erlebt, da dieser bereits 1896 im italienischen Küstenort San Remo das Irdische mit dem "Abseits" habe eintauschen müssen! - Ob ich´s denn überhaupt wüßte, wer dieser "Onkel Alfred" einstmals so namhaft geworden gewesen sei?" forschte er stillvergnügt nach.
Hm? War damit etwa der Alfred Nobel, jener schwedische Ingenieur gemeint? bedachte ich's zweifelnd. Und hochtrabend hier von ihm so ungeniert in eine verwandtschaftliche Zugehörigkeit hineinprogammiert worden? Als sein Onkel Alfred! - Der am 21. Oktober 1833 in Stockholm geborene - und am 10. Dezember 1896 im damals zumeist vom Geldadel besuchten San Remo verstorbene Erfinder von einem per Zufall spleenig in Erscheinung tretenden Per-Olov selbstbesessen und schwelgerisch als Blutsverwandtschaft in Szene gesetzt? - Eine wohl doch als fragwürdig zu betrachtende Offenbarung ... -
Wenn's aber dennoch als zutreffend zu gewahren sein sollte, dann war es ja sein Onkel, der 1863, damals noch in Stockholm, das hernach oftmals welterschütternde Dynamit erfunden hatte, so zog ich's nun erst einmal aufgeschlossen in Betracht.  -
"Jou, Du wirst es vermutlich kaum glauben", meldete sich Per-Olov dann wieder zu Wort.
"Na-ja, ich hege da noch ein wenig Bedenken", gab ich verhalten zu spüren.
Was dann ein sichtbar übelnehmerisches Nase-Rümpfen zur Folge hatte ...
"Sieh an: Er zweifelt! Ich lasse hier - nur weil Du mir anfangs als sympathisch erschienen bist -, so offenherzig meinen Gefühlen einen freien Lauf, öffne vertrauensselig die Familien-Schleusen mit all den modrigen Untiefen meiner Herkunft - und er hegt Bedenken! Zögert, ob er mir da nun Glauben schenken kann! Soll ich erst einmal eidesstattlich versichern ..."
"Nein-nein!" fiel ich ihm sogleich abwinkend ins Wort. "Verzeih mir, aber ich war wohl soeben recht unheilverkündend diesbezüglich wohl beinahe am Rande eines Abgrunds!"
"Aha! - Und was soll das so abgründig besagen?" fragte er aufhorchend nach.
"Nun, da gibt es doch weltweit einen sehr bedrohlichen Anknüpfungspunkt: Denn da hätten wir nun deinen Onkel, den Alfred Nobel - und mithin, stets unheilschwanger aufblitzend, diesen verheerenden Sprengstoff Dynamit ..."
"Hast Du's nun endlich herausgefunden? Hat sich für Dich jetzt alles zusammengereimt?" fuhr er mich spitzzüngig an. - "Vortrefflich! - Das schafft immerhin die Voraussetzung dafür, daß wir nun doch des weiteren auf den spannungsgeladenen Spuren meiner Sippschaft verbleiben können. - Also: Hättest Du es tatsächlich für möglich gehalten, daß die Erfindung des Dynamits einem sich eigenwillig zugetragenen Zufall zu verdanken ist?" betonte Per-Olov todernst den Auftakt seiner Enthüllungsgeschichte.
"Einem Zufall?" horchte ich doch erwartungsvoll auf.
"Allerdings! - Bezweifelst Du das?" knurrte er mich argwöhnend an.
"Nein! Denn mancherlei ist ja nur rein zufällig entstanden", wandte ich denkbar ein. 
"Auch Du und ich, wir sind wohl der Gunst oder Ungunst der jeweiligen ..."
"He, Mann, Du nervst mich!" wurde ich unwirsch unterbrochen.
"Doch dieses dereinst zufällig erschaffene, hochexplosive Produkt, dessen geheimnisumwitterte Entstehung ich jetzt ausnahmsweise Dir hier entschleiern werde, hatte ja eines unguten Tages einen peinlichen Schlußakkord aufzuweisen!"
Erstaunt blickte ich auf. "Hm? Ausnahmsweise mir willst Du jetzt davon berichten, daß die Erfindung des Dynamits dereinst einer aleatorisch stattgefundenen Begebenheit zu verdanken ist?"
"Nun red' mal nicht so geschwollen daher, ja!" wurde ich angeblafft. "Mach Dich mal fix auf den Weg zum Duty-free-shop! Dort holst Du mir eine Flasche Aquavit, okay? - Als stimulierenden Beistand, damit ich dann anschaulicher zurückblicken kann." -
O heilige Birgitta von Vadstena! - Urplötzlich sollte hier nun der Alfred Nobel als abgründig düster Gestalt annehmen? -  Solch eine sensationelle Story hatte ich ganz gewiß nicht erwartet, als ich mir vor kurzem diese Reise nach Schweden zum Ziel gesetzt hatte, um vor Ort eventuell so einiges über den einstmals angeblich so selbstquälerisch empfundenen Bekenntnisdrang des schwedischen Romanciers August Strindberg zu erkunden ... -
Aufgewühlt sauste ich los, um dann zehn Minuten später mit der zuvor eingeforderten Flasche Aquavit wieder im Aufenthaltsraum des Fährdampfers zu erscheinen. "Gläser dafür waren dort leider nicht zu erwerben", gab ich Per-Olov zu verstehen.
"Gib schon her, ich brauche kein Glas!" ließ er mich wissen - riß mir die Flasche aus der Hand, öffnete den Verschluß - und gluckernd flutete der Inhalt, nun hoffentlich hilfreich für eine Geheimnisse lüftende Darlegung, trinkfreudig seine Kehle hinab. -
Nun, eingedenk dessen betrachtete ich's jedoch als gegeben, daß mir ein hochgestimmter Trunkenbold gleich eine unglaubliche Geschichte zum besten geben würde.
"Jetzt hör' mir 'mal gut zu, ja?" wurde ich vorab ermahnt: "Weltweit ruft es noch immer Bewunderung hervor, wenn wieder einmal jemand mit einem Nobelpreis ausgezeichnet worden ist! - Das leitet Prestige in die Wege und allerhand Bares auf's Konto! - Aber wie es dereinst dazu gekommen ist, daß solch eine Lobpreisung Wirklichkeit werden konnte, das weißt Du sicherlich ganz bestimmt nicht! - Denn in dieses durchaus geheimnisumwitterte Ereignis sind ja bisher nur ganz wenige, ausschließlich die vom Familienclan als absolut charakterfest und auch vertrauenswürdig einzuschätzenden Personen eingeweiht worden!"
"Oh! - Darin bist demnach auch Du willkommen geheißen worden?" horchte ich tief beeindruckt auf. - Erwartungsvoll auf meinem plastikbespannten Sitzmöbel herumrutschend, wollte ich jetzt unbedingt herausbekommen, was sich da einstmals so spektakulär ereignet hatte: "Per-Olov, ein Vorschlag zur Güte: Im Duty-free-shop sah ich vorhin noch acht Flaschen Aquavit im Regal stehen! Und ich bin unverzüglich gern bereit, für ..."
"He! Für wen oder was hältst Du mich?" raunzte er mich aufgebracht an. "Sehe ich in Deinen Augen aus wie ein erbarmungswürdiger Saufbruder?"
"Nein! - Aber ich würde doch gern herausfinden - äh - stichhaltig auf dem laufenden sein ..."
"Nun beruhige Dich erst einmal - ja? - Denn alles wird - das versteht sich von selbst -, korrekt und gesittet der Reihe nach entschleiert." Und wie nach innen gerichtet, nahm er sogleich bedeutungsvoll Haltung an: "Nun ja, da denke ich jetzt geschlossenen Auges zurück ... Und finde mich ein auf dem Hintergrund einer wahrlich turbulenten Epoche!" brach es pathetisch aus ihm heraus. "Und wer ist dort wirklichkeitsnah zugegen? Fürwahr: Der unruhige Forschergeist Alfred Nobel! - Als Jüngling war mir zu Ohren gekommen, daß Onkel Alfred im März 1863 in Stockholm die fünfundzwanzig Jahre jüngere, einst bildschöne Inga Engstroem kennengelernt hatte. - Und angeblich leidenschaftlich ergriffen, soll er dieser Dame sofort einen Heiratsantrag gemacht haben!"
"Eine etwas leichtsinnig vom Stapel gelassene Gefühlsduselei!" mußte ich unbedingt anmerken.
"So kann man's wohl wahrlich bewerten", erhärtete Per-Olov meine Bedenken. "Und holterdipolter ist dieses Mädel dann wohlüberlegt bei ihm eingezogen, in sein pompöses Domizil, am exklusiven Stadtrand von Stockholm."
"Auch das noch!" konnte ich nicht umhin zu bekunden.
"Wohl wahr!" nickte Per-Olov mir zu. "Wie Du es vermutlich schon ahnst, war diese Liaison nicht von Bestand: Denn Inga entpuppte sich baldigst als einfältig, kindisch und aufsässig. - Der Onkel Alfred hatte in Kürze die Nase gestrichen voll, wie man so sagt. Und hat dann mißgestimmt versucht, dieses unleidliche Zuhause in einem berüchtigten Stockholmer Nachtlokal zumindest für einige Stunden aus dem gedemütigten Bewußtsein zu verbannen."
"Bejammernswert ... Und dann?" forschte ich sensationslüstern lauernd.
"Ist alles gescheitert - in die Brüche gegangen!" betonte er's grinsend.
Unruhig ausharrend, tippte ich ihn nun erwartungsvoll an: "Per-Olov, in etwa vierzig Minuten haben wir Göteborg erreicht! Spann mich nicht länger auf die Folter. - Was geschah dann?"
"Nun, der Onkel Alfred stand eines Abends, zu vorgerückter Stunde, angeblich leicht alkoholisiert vor der Haustür seines Palais. Die Inga war zwar im Haus; hatte aber, gereizt und zunehmend verdrossen, die Tür zum vordem doch so familiären Daheim anscheinend beinahe bollwerkartig verbarrikadiert!"
"Mein Gott! Ich ahne das Schlimmste, der Untergang des Hauses Nobel!" brach es beeinflußt aus mir heraus, da sich ein beinahe vergleichbares, dereinst von Edgar Ellen Poe beschriebenes Geschehen spontan vor meinem geistigen Auge beunruhigend verlebendigte.
"Da bist Du jetzt ziemlich nah dran!" erhärtete Per-Olov mein visionäres Empfinden. "Denn der Onkel Alfred hat daraufhin zornig kehrtgemacht, ist wutschnaubend in sein Chemielabor gestolpert - und hat dort sogleich 75% Nitroglyzerin und 24,5% Kieselgur mit 0,5% Soda zusammengemixt ..."
"Nein!!" unterbrach ich ihn aufstöhnend.
"Und ist dann gleich darauf mit diesem hochexplosiven Gemisch", erzählte er jedoch unabgelenkt weiter, "das später als sogenanntes Dynamit ja welterschütternd Furore gemacht hat, nun stockwütend zur kaltschnäuzig verrammelten Haustür marschiert!"
Mir stockte der Atem ... "Ein unbeherrscht aufloderndes Gebaren!" wandte ich baß erstaunt ein.
Kopfnickend wurde mir zugestimmt.
Bestürzt forschte ich weiter: "Mein Gott! Unglaublich ... Das hatte doch todsicher schreckliche, katastrophale Folgen?"
"Beileibe, das auch - und später ja weltenweit durchaus bedeutsame!" ließ er's gewichtig anschwellen.
"Weltweit bedeutsame?" murmelte ich, bisher noch uneingeweiht ...
"In der Tat!" nickte Per-Olov mir zu. "Denn unser an und für sich stets mildtätig zu gewärtigender Onkel Alfred, er hat ja bald darauf sein so heißblütig zum Ausdruck geratenes Handeln bitter bereut! - Und die zwangsläufig aufkeimenden Gewissensbisse haben wahrscheinlich so viel bewirkt, daß er vor seinem Ableben in San Remo noch testamentarisch angeordnet hat, daß ab 1901 ein finanziell hochdotierter Preis den wirklich herausragenden Persönlichkeiten des jeweiligen Zeitgeschehens aufhorchen lassend zur Ehre gereichen sollte!" -
Unglaublich! - Noch immer hochgradig ergriffen, schaute ich nachdenklich zu ihm auf: Der Onkel Alfred! - Und die dank seiner Existenz dereinst so beeindruckende Entstehung des ja noch immer weltweit tosenden Beifall hervorrufenden praemium Nobelianum - !          -
In der Zwischenzeit hatten wir den dichtbevölkerten, rundum mit Lärm erfüllten Aufenthaltsraum des Fährdampfers verlassen - und standen nun fröstelnd im Außenbereich an der Reling ...
Per-Olov nahm einen aufmunternden Schluck aus der inzwischen inhaltlich fast zur Neige gegangenen Aquavit-Flasche. - Kreischend und freßlüstern lauernd, begleiteten uns nun auch zahlreiche Möwen, als mein Reisegefährte sich aufs neue zu Wort meldete: "Ach ja, es gab auch schon namhafte Personen, die diesen Preis abgelehnt haben!"
"Wahrhaftig! - Und das bleibt ja auch unvergessen", pflichtete ich ihm kopfnickend bei. "Denn bereits 1964 verweigerte der französische Philosoph und Schriftsteller Jean-Paul Sartre - warum auch immer? - diese Belobigung seiner Person durch eine derartige Glorifizierung."
"Naja, vielleicht war der Franzose nicht ausreichend genug selbstverliebt?" mutmaßte Per-Olov nüchtern. - Um gleich darauf noch schelmisch hinzuzufügen, daß immerhin vor einigen Jahren dieser prominente deutsche Schriftsteller solch eine Auszeichnung als eine unzumutbare Gewissensqual demonstrativ von sich gewiesen habe!"
Diesbezüglich erstaunt, blickte ich ihn daraufhin neugierig geworden an: "Das ist eigentlich schwer vorstellbar ... Wer sollte das denn gewesen sein?"
"Den Namen des Mannes habe ich leider vergessen." rief er mir zu -  ein kraftvoller Wind beeinträchtigte unseren Plausch. "Hm? - Gleichlautend ist es in Deutschland die Bezeichnung für diese Feld- und Wiesenpflanzen!" versuchte er's zu verdeutlichen.
"Du sprichst in Rätseln, Per-Olov."
"Ernsthaft? - Vielleicht erinnerst Du dich aber daran, daß damals viele Zeitungen und Zeitschriften diese schriftlich formulierte Verweigerung des Autors ja veröffentlicht haben - nein, nicht?"
"Nee, eigentlich nicht ..."
"Das nehme ich Dir nicht ab!" wurde ich angeblafft. "Aber wenn es tatsächlich so sein sollte, dann spitz jetzt einmal sensationslüstern die Ohren! Also: Verwundert nahm unser Stockholmer-Nobelpreis-Komitee dereinst diese schriftlich übermittelte Verweigerung des besagten Romanciers zur Kenntnis; in welcher geharnischt zum Ausdruck gegeben worden war, daß solch ein Preis, derart grässlich und auch beunruhigend beseelt mit dem höllischen Brandmal einer zerstörerischen Inhumanität, für ihn bedauerlicherweise als absolut unzumutbar zu gewärtigen sei. - C'est un Désagrèment, Monseigneur! Ja, mit genau diesen Worten endete die ablehnende Aussage des Herrn G.", betonte Per-Olov den Ausklang seiner aufschlußreichen Rückschau.
"Ach, die Unannehmlichkeit war damit gemeint, kosmopolitisch verfeinert", erklärte ich's grinsend. "Der Autor ist wahrscheinlich ein Kosmopolit - die dereinst vom griechischen Philosophen Diogenes so wirkungsvoll schmückend geprägte Bezeichnung für Weltbürger."
Wir waren gerade in Göteborg angekommen, hatten die Gangway des Schiffes soeben verlassen, als sich - auf der Anlegestelle des Fährschiffes -, Per-Olov nun überraschend fast schon bedrohlich vor mir in Stellung brachte: "Du bist - wie Du's erwähnt hast - ein freiberuflich tätiger Journalist! Und trotzdem warst Du mir durchaus sympathisch, das habe ich ja bereits zu spüren gegeben. Aber solltest Du jemals dreist und unverfroren all die von mir so offenherzig zur Sprache gebrachten familialen Begebenheiten in einer Deiner stets klatschsüchtigen Zeitschriften veröffentlichen, jou, dann mach Dich auf etwas gefaßt! - Was immer Du tust, Du wirst es bitter bereuen!" wurde ich, à la Sokrates, gleich einem Schierlingsbecher, schlußendlich noch sehr eindringlich unter Druck gesetzt. "Demonstrativ trennen sich dann unsere bisher so informativ doch gemeinsamen Wege!" gab er mir deutlich zu verstehen. -
Hernach trennten sich dann tatsächlich "diese Art" gemeinsamen Wege. -
Postskriptum:
Ich wußte, wen dieser Per-Olov mit seiner "angeblichen Nobelpreis-Absage" gemeint hatte ... 
In Bezug auf die "Dichtkunst" dieses Poetenda hat der "Läster-Pabst" Wolfgang Nietschke einmal recht deutlich zum Ausdruck gegeben: 
"Günter Grass, der professionellste Langweiler der Schönen Schreibe".
Nachdenklich gestimmt, lag ich später noch stundenlang wach, im Bett eines zweitklassigen Hotels in der Innenstadt von Göteborg. -
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Donnerstag, 1. Dezember 2022

Ein Welt-Star, der Sir PETER USTINOV:

Und somit für mich eine unvergessliche Begebenheit, dieses zufällig beredsame Miteinander: 
Dem Zufall sei - im Nachhinein - Dank bezeugt!
Gemeinsam als "schaulustig zu erachten" - waren wir uns dort in der Kunsthalle begegnet, bei einer intensiven Besichtigung der Plastiken von Alberto Giacometti. - 
Hernach saßen wir noch im hauseigenen "Miro-Garten" - so angeregt plaudernd beisammen ...
Und als ein Überblick dessen, da sei hier nun so einiges "davon" komprimiert zum Ausdruck gegeben:
Unter anderem sprachen wir auch über meine derzeitigen beruflichen Aktivitäten - und Sir Peter gab mir schelmisch dreinblickend zu spüren:
"Ja, wo man nicht lacht, da laß dich niemals nieder! Denn das Dasein zeigt sich dort zumeist recht bieder." 
Nun, dessen war ich mir durchaus bewußt, damals bühnenaktiv, und als Glossenschreiber, der hin und wieder Lesungen in Szene gesetzt hatte. 
"Hm, da hüte man sich vor der bedauerlicherweise sich ja oftmals in Rufweite vergegenwärtigenden Mittelmäßigkeit!" wurde es mir als beachtenswert nahegelegt. - "Eine zufriedenstellende Erkenntnis wird es irgendwann sein, daß man sich nur einem kleinen Kreis von Lesern verständlich machen kann", ließ er mich abgeklärt wissen. 
Um dann noch lachend hinzuzufügen:"Aber zum Glück gibt es ja immer noch neugierige Leser, wie es der Schweizer Verleger Daniel Keel vor kurzem hoffnungsvoll zur Sprache gebracht hat, als wir im Restaurant Kronenhalle über anspruchsvolle Literatur diskutierten". -
Ja, all das ließ er mich sachkundig wissen, der Autor, Regisseur und Schauspieler Peter Ustinov. Bevor wir uns spätnachmittags, im August 1984 in Zürich voneinander verabschiedet hatten.
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Sir Peter Ustinov, wahrlich ein beeindruckender Weltbürger, der mir als "so rundum geistreich und lebenserfahren" - in Erinnerung bleiben wird. 
(Leider ist ER - im Alter von 83 Jahren verstorben.)
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                                                                      ***

POLITIKER - eine "beurteilende Erkenntnis":

Auch als Wertschätzung spürbar ...

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Mit dieser gezeichneten Stellungnahme möchte ich einige 
diesbezüglich erwähnte Erzählungen noch "vervollkommnen".
Danke für Ihre "Anteilnahme".
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Dienstag, 29. November 2022

ROBERT GERNHARDT:"Selbst-Befriedigung"...

Lieber Robert - der du bist zur Zeit  leider: "procul a domo" ... ("fern der Heimat") - trotz allem:
Ach ja, da nimm bitte dort "Oben" das im Nachhinein beschriebene "Ereignis hier UNTEN" nun doch einmal "schmunzelnd" zur Kenntnis ... 
Als da "zutage getreten" war:
Es gibt sie tagtäglich noch immer, diese Tugendbolde und zudem so intuitiven Sittenwächter. -
Denn, als ich da neulich, in einer Kleinstadt im Ammerland. - Am Ende eines vorab als bisher angenehm empfundenen Leseabends, hernach noch Bücher signierend am Tisch saß, da hat mir dann einer dieser als Moralapostel auftretenden Erdenbürger - entrüstet dreinblickend - eine herausgerissene Buchseite auf die Tischplatte geklatscht! - Zu sehen war nun der von Dir in einer Bildfolge dereinst gezeichnete Bär, mit dieser textlich so bedeutsamen Anspielung: 
"Der Kragenbär, der holt sich munter, 
nun einen nach dem anderen runter."
Tja, ich habe dann den so sichtbar erbosten Philister nun darauf aufmerksam gemacht, daß die so unübertrefflich schelmisch geprägte Arbeit derzeit nicht von mir erschaffen wurde.
"Das sei ihm egal!" fuhr er mich an. "So etwas zu Papier zu bringen und dann auch zu veröffentlichen, das sei ekelerregend und unzumutbar! Bücher dieser negativ beeinflussenden Machart sollten schleunigst auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden!" fügte er aufgebracht noch hinzu.
"Aber Sie haben das Buch doch irgendwann käuflich erworben", machte ich ihn darauf aufmerksam.
"Um Gotteswillen - nein!" brach es abweisend aus ihm heraus. "Im Zimmer meines Sohnes Eberhard habe ich diese abscheuliche Lektüre leider vor kurzem gewahren müssen."
Robert, "um des lieben Friedens willen" habe ich dem Tugendwächter dann erzählt, daß der hinweisende Text von den bestimmenden Redakteuren im Verlag leidenschaftlich gern so eindeutig verkürzt unter den Zeichnungen zur Aussage kommen würde. - In diesem Fall hätte der vom Autor ursprünglich gereimt zum Ausdruck gegebene Wortlaut jedoch die offenbar im Pelz des Bären so unangenehm blutsaugenden Parasiten verdeutlichen wollen -
und das folgendermaßen:
Der Kragenbär, der holt sich munter, 
nun einen nach dem anderen runter. - (die Schädlinge aus dem Pelz!)
Um sie, nach den Höllenqualen, 
dann mit den Tatzen zu zermahlen. -
Ach Robert, Du wirst verdutzt von oben schauen,
man will Dir jetzt ein Denkmal bauen.
Nein-nein, ganz ehrlich, keine Mär!
Erschaffen wird der "KRAGENBÄR" ...
(In Göttingen - vermutlich). -
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