Dienstag, 16. November 2021

Sie hatten "angeblich die PEST an Bord" ...

So wurde es damals "fernliegend" bekundet. -
Und lagen mit dem Schiff nun "gezwungen" vor der Insel Madagaskar. -
Vorab sei nun diesbezüglich so einiges anschaulich gemacht:
Angeheuert auf unterschiedlichen Schiffstypen, hatte er einstmals vier Jahre lang - unter nicht immer erfreulichen Bedingungen -, viele der Weltmeere "befahren", der 1883 in Würzen bei Leipzig geborene Hans Bötticher. -
Bekannt geworden als Joachim Ringelnatz - oder auch "Kuttel Daddeldu", als der er sich später, bereits bühnenaktiv, herz- und scherzhaft in Szene zu setzen verstand.
Zurückblickend war es nachweislich im April 1903, als man anwesend an Bord eines arg heruntergekommenen Frachters, der vor kurzem den Indischen Ozean durchquert hatte, hernach in die sogenannte Straße von Mocambique gedampft - und schon bald darauf in der Hafenstadt Majunga (auf der Insel Madagaskar) dort dann vor Anker gegangen war, nun endlich ein wenig zur Ruhe kommen durfte.
Genußfreudig Wein trinkend - und dabei unbewegt auf das hektische Treiben der Hafenarbeiter starrend, hockten dereinst der Seemann Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz) und sein langjähriger Seeweg-Genosse Emil Kallotschke auf zusammengerollten Schiffstauen draußen im hinteren Oberdecks-Bereich des rostigen Seelenverkäufers ...
Ein belebender und zunehmend auffrischender Wind verdrängte die nun seit einigen Stunden aufgestaute Sonnenglut und wohl auch andere Bedrängnisse, als sich dort oben irgendwann der folgende Dialog entfaltete:
„Hm? - Was wohl mein Trinchen bei uns daheim gerade so alles veranstaltet?“ brach es hinterfragend aus dem Gefährten Emil heraus.
„Wer is’n Trinchen?“ horchte der Hans daraufhin auf.
„Meine Verlobte - bei uns, in Berlin!“ ließ ihn der Emil wissen.
„Vergiß sie! - Wahrscheinlich hat die schon längst ‘n Anderen.“ bekam er leidenschaftslos zu hören.
„Mensch, spinnst Du, Hannes? - Die is’ mir doch treu ergeben!“ war Emil jedoch davon überzeugt.
„Na bitte, dann is’ doch für Dich noch alles bürgerlich bestens.“ wurde ihm unberührt zugeraunt.
„Hoffentlich - na ja, ich muß ihr wohl doch ‘mal schreiben.“ bedachte es Emil.
„Klar - ist ‘ne gute Idee, Emil!“ daraufhin achselzuckend Hans.
„Ach nee, ich kann da wohl nix so zutreffend auf das Papier bringen!“ so brach es "hilfebedürftig" aus Emil heraus.
„Dann laß es doch bleiben, Du Simpel!“ wurde ihm fast wegwerfend erwidert.
„Nee - aber Du bist doch so’n Dichterling! Da kannste mir für sie jetzt bitte ein paar warmherzige Zeilen aufkritzeln.“ flehte ihn Emil daraufhin an.
„Hm, was willst Du dem vergötterten Mädel denn unbedingt mitteilen?“ wurde kameradschaftlich hinterfragt.
„Na ja, nur so ‘n freundlichen Gruß aus der Ferne. Einfach so ‘ne Art Lebenszeichen - verstehste?“ gab Emil nun grinsend zum Ausdruck.
„Na gut, ich schreib’ Dir nachher dafür 'n mittelprächtig passenden Text.“ wurde sein Wunsch doch schmunzelnd erhört.
„Toll, da bin ich Dir wirklich dankbar - und werd’ mich dafür auch demnächst erkenntlich  zeigen!“ strahlte ihn Emil hocherfreut an.
Nun ja:
Dem inhaltsreichen Archiv einer Berliner Kleinkunstbühne ist‘s zu verdanken, daß auch die folgenden Zeilen, einst handgeschrieben notiert auf einer inzwischen schon arg verblichenen Postkarte, noch lesbar erhalten geblieben sind:
Mein liebes Trinchen!
Wenn die Sonne netzt die Fresse,
hebt das mein Sein - und tilgt die Blässe.
Ein Wohlgefühl verschafft der Wein,
belebt sogar das "dritte" Bein.
Schon stehst Du mir entblößt vor Augen,
auf ewig mein - in treuem Glauben.
Das hofft - zur Zeit am Arsch der Welt -,
Dein Emil, der stets zu Dir hält.
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Tja, der nicht selten so spitzzüngig textende "Joachim Ringelnatz", er wurde schon einstmals im Knabenalter als ein "Schulrüpel ersten Ranges" apostrophiert.
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