Sonntag, 3. Juli 2022

Ein Nachmittag bei Horst Janssen:

Das geistreiche Beisammensein mit dem Zeichner und Autor in Hamburg.
Als Besuch - Tage nach dem fast todbringenden Absturz von seinem Balkon:
"Schau an, der Cartoonist und Satire-Schreiber Didier Vaselis - er lebt noch", gab er begrüßend zum Ausdruck.
"Nun denn, Du ja auch noch - trotz allem! antwortete ich.
"Wieder umtriebig bei den Zeitschriften-Machern hier? fragte er nach.
"Jaja, das auch, aber bevorzugt Dich noch lebend begrüßen zu können, was immerhin erfreulich den Anschein macht", merkte ich zunickend an. 
"Und, wie geht es Dir derzeit ?"
"Tja, ich bin jetzt in diesen Bereichen des allmählichen Wiedererwachens 
und der physiologischen, wie auch wohl künstlerischen Sehfähigkeiten - nach dem Dilemma", gab er zu verstehen.
"Wohl an, auch das betreffend, habe ich eine Flasche französischen Rotwein mitgebracht" ließ ich ihn aufmuntern wollend wissen.
"Fast paradiesisch, aber ich darf ja zur Zeit keinen Alkohol trinken. - 
Nun denn ... Ich hole zwei Gläser".
"Bleib sitzen, die habe ich mitgebracht", winkte ich ab.
"Carpe diem - genieße den Tag", gab er nun schmunzelnd zu spüren. 
"Wohl wahr", erwiderte ich beipflichtend. "Denn schon in der Schlagzeile seiner Ode "An Leukone", da regt der römische Dichter ja dazu an, diese doch knappe Lebenszeit zu genießen". 
"Wörtlich genommen hieß es da doch: "Pflücke den Tag", merkte Horst an. -
"Eine poetisch besagte Huldigung dessen".
"Carpe diem, Guam minimum Credula postero: 
Genieße den Tag, und vertraue möglichst wenig dem folgenden! 
Immerhin wurde das schon derzeit so lebensgewichtig zum Ausdruck gegeben", erwiderte ich - all das bejahend. 
"Ach ja,  der Robert Gernhardt - leider verstorben - er hat's mit den folgenden Worten damals deutlich gemacht: "Dein Hiersein ist ein Fenster, an dem du kurz erscheinst. Dies Fenster nur geöffnet ist, im Zeitraum einer Lebensfrist, die deinem Dasein zugedacht, dann wird es wieder zugemacht - und alles war dereinst." 
"Unser zeitgebundenes Hiersein auf Erden, Didier, nickte mir Janssen zu - 
um dann noch eindringlich hinzuzufügen: 
"Non exigum temporis habemus, sed multum perdidimus", meint: 
Nicht wenig Zeit haben wir, aber viel vergeuden wir. - 
Denn morgen ist das Heute bereits schon ein Gestern!
Das sollten auch wir beherzigen, Didier", fügte er als beachtenswert hinzu. -
Dazu noch ein Nachtrag: 
Nun doch noch im sogenannten "Lebensherbst" angelangt, hockten wir damals dort Wein trinkend - und so offenherzig fabulierend im Garten seines Hauses, mit Blick auf die Elbe ...
All das bleibt für mich "als unvergessen" in der Erinnerung. 
Denn leider weilt ER nun nicht mehr auf Erden: Horst Janssen - verstorben am 31, August 1995. -
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