Samstag, 5. November 2022

So geltungsbedürftig - und dann die Folgen ...

Das sei, am Beispiel der Begebenheiten: "Wilhelm Tell"- und diesem damals demonstrativ zur Schau gestellten "Hut auf dem Pfahl" deutlich gemacht: 
Ja, dieser Sagenheld aus Uri, in der Schweiz. -
ER beugte sich ja dem dort so selbstsüchtig zutage tretenden Egotrip des habsburgischen Landvogs Geßler diesbezüglich nicht! -
Was in Schillers Drama einstmals als "unter ein Joch beugen" so akzentuiert verlebendigt worden ist, das wurde ja oftmals im Schulunterricht dermaßen eindringlich exerziert, daß man es irgendwann intus hatte - und zukünftig auf Anhieb auch fehlerlos vortragen konnte.
Eine kreuzbrav gelebte Normalität, die von der heutigen Schuljugend nur noch hohnlachend ausgebuht wird. - Zumeist leidenschaftslos, schenkt man gegenwartsnah all der klassischen Literatur zunehmend eine mehr und mehr nur noch unzureichende Aufnahmebereitschaft ...
"Ey, das kannste knicken, Alter!" wird da nicht willens zu spüren gegeben. -
"Wohl wahr", bestätigte das kürzlich ein junger Pädagoge im Vestibül eines Berliner Gymnasiums. "Man kann doch diese unvermeidlichen Klassiker der Literaturgeschichte auch kurz und bündig sehr trefflich zum Ausdruck bringen!" gab er fortschrittsgläubig zu bedenken. - 
"Aha! Wie das denn?" fragten wir hoffnungsvoll nach. - 
Und bekamen, aufhorchen lassend, die Auswirkung dessen zu Gehör gebracht:
        Auf einer Lichtung, weithin kahl,
        da stand dereinst ein hölzern' Pfahl.
        Und obenauf prangt stolz ein Hut,
        der fordert selbstgerecht Tribut.
        Geboten war's, den Filz zu grüßen!
        Wer's nicht tat, sollte dafür büßen!
        Der Landvogt gab einst dies Geheiß.
        Doch Tell winkt ab: "Was soll der Scheiß?"
        Solch diktatorische Gewalt,
        verachtet er, sie läßt ihn kalt.
        "Das interessiert mich nicht die Bohne!"
        So ignoriert er die Melone.
        Das wurde bald darauf zur Qual,
        weil der Herr Geßler streng befahl:
        Nun sollt' der Sohn des Bogenschützen,
        auf Messers Schneide dafür schwitzen!
        Der Vater sah dann, arg geschunden,
        den Sohn an einen Baum gebunden.
        Beklommen runzelt der die Stirne:
        Ein Apfel liegt auf seiner "Birne"!
        Der Wilhelm Tell nimmt angespannt,
        die schwere Armbrust nun zur Hand.
        Er steht entfernt, so achtzig Schritte -
        und äußert schmerzbewegt die Bitte:
       "Man möge solches nicht beordern,
        das würde böse Folgen fordern!" - 
Ja, wenn es denn - dermaßen differenziert verdichtet - den schulischen Explikationen tatsächlich dienlich sein sollte, dann sei nun noch aufklärend hinzugefügt: Wilhelm Tell, der zwei Pfeile im Köcher hatte, traf mit dem ersten gottseidank erfolgreich den so eindeutig auf dem Haupt des Sohnes postierten Apfel. - Befragt, was denn bei einem Mißerfolg mit dem zweiten Pfeil verhängnisvoll hätte geschehen können, antwortete ein noch immer verstört dastehender Vater genötigt:
        "Ich hätte wohl, zutiefst verdrossen,
         hernach den Landvogt totgeschossen!"
So bekunden es die historischen Quellenzeugnisse ...
Die von der Volksdichtung überlieferte Lesart hält allerdings stur dagegen - und beharrt unbeirrbar darauf, daß Wilhelm Tell, dieser schweizerische Sagenheld aus Uri, sich einstmals dem habsburgischen Landvogt Geßler nicht gebeugt - nein! ihm bei Küßnacht erbittert den Garaus gemacht haben soll. -
                                                                           -
                                                                         ***

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